Reinhold


Wenn ich erzähle, wie ich zu Jesus kam, beginne ich meistens mit meiner Konfirmandenzeit.

Mit 12 Jahren ging ich zum Konfirmandenunterricht der Evangelischen Kirchengemeinde. Ich war sehr eifrig im Besuchen der Gottesdienste, ging Sonntags in der Regel sogar zweimal zur Kirche, zum Hauptgottesdienst und anschließend zum Kindergottesdienst.

Der Grund war, daß ich dem Pfarrer gefallen wollte, der mich allerdings gar nicht wahrnahm. Dies war für mich eine bittere Enttäuschung und nach der Konfirmandenzeit hielt ich mich von der Kirche fern, nur Weihnachten ging ich noch wegen der romantischen Stimmung. Doch im Stillen erahnte ich die Existenz Gottes, aber ich fand ihn nicht und nahm mir auch gar nicht die Zeit ihn zu suchen. Es blieb lediglich eine gewisse Ehrfurcht.
Mit 28 Jahren hatte ich fast alles erreicht, was ich mir aufgrund meiner früheren schulischen Leistungen nicht vorstellen konnte. Über den sogenannten zweiten Bildungsweg hatte ich mich mit viel Fleiß hochgearbeitet und ein Stück von dem gefunden, nach dem ich suchte: Anerkennung. Doch ich mußte immer wieder noch mehr leisten, um mehr von dieser Anerkennung zu bekommen. Irgendwann kam ich zu einem Punkt, wo die berufliche Ausbildung abgeschlossen war und ich fast nichts mehr erreichen konnte. Ich hatte fast alle beruflichen Ziele verwirklicht, aber in meinem Herzen blieb es leer.

In meinem Herzen blieb es leer -
 
Unverhofft traf mich eine schreckliche Leere und Einsamkeit und ich konnte sie mit nichts füllen. Nicht zuletzt durch meinen blinden Ehrgeiz blieben viele Beziehungen auf der Strecke. Ich merkte bald, daß ich Beziehungen vernachlässigt hatte.
Ständig rannte ich durch die Stadt mit der Sehnsucht nach Liebe und einer glücklichen Familie, aber ich fand sie nicht. Inzwischen war ich schon zu allem bereit, nur um diese Sehnsucht nach Liebe und Lebenssinn zu stillen. Im nachhinein bemerkte ich, daß Jesus schon damals seine Hand über mich hielt, damit ich nicht zu tief fiel. So blieb ich beispielsweise von Drogen verschont. Ich ging Beziehungen ein, die immer wieder scheiterten. Aus einer Beziehung entstand mein Sohn Jonathan. Ich schämte mich sehr, denn ich fand es immer furchtbar, einen unehelichen Sohn zu bekommen. Doch das war für mich nun bittere Wahrheit. Ich lebte dann mit der Mutter meines Sohnes zunächst zusammen und schnell wurde klar, daß wir eigentlich gar nicht zusammen paßten und ich nur ein schlechtes Spiel gespielt hatte, in dem ich nicht ich selbst war. Es kam, wie es kommen mußte - die Beziehung ging in die Brüche und wieder fiel ich in eine große Leere und Einsamkeit.

Aber eins hatte sich in der Zwischenzeit doch geändert. Aus traditionellen Gründen hatten wir trotz unseres gottlosen Lebenswandels beschlossen, unseren Sohn taufen zu lassen. Es kam zu einem Taufgespräch, in dem ich einer gläubigen Pfarrerin gegenübersaß, der ich anmerkte, daß sie in puncto Glauben etwas hatte, das ich bisher nicht erfahren hatte. Das machte mich neugierig und ich beschloß, ihrer Einladung zu einem sogenannten Glaubenskurs zu folgen, zu dem ich mich dann auch anmeldete. Vierzehn Tage vergingen und ich war schon fast wieder von meiner Anmeldung zurückgetreten. Ich traf einen innerlichen Beschluß. Wenn ich an dem ersten Veranstaltungsabend am Versammlungsort pünktlich ankommen würde, würde ich auch in die Veranstaltung hineingehen, ansonsten wieder nach Hause fahren. Ich muß dazu sagen, daß ich mich in der Stadt nicht gut auskannte, wo dieser Glaubenskurs stattfand, und ich hoffte mich zu verfahren, weil ich eigentlich nicht mehr gehen wollte.
Aber Gott hatte andere Gedanken mit mir: ich war auf die Minute pünktlich. Es vergingen einige Wochen, in denen wir Grundlegendes über den christlichen Glauben hörten und ich heftig und kontrovers diskutierte. Aber Schritt für Schritt kam ich der Beziehung zu Jesus näher. Am Abschlußabend stand für mich die Entscheidung fest, ich wollte die Vergebung meiner Sünden und von nun an mit Jesus Christus leben.

Diesen Augenblick werde ich wohl nie richtig vergessen.

Da stand ich nun real vor dem Kreuz, hörte von Vergebung und wußte, daß ich sie dringend brauchte, denn ich kam mir in meiner Sündhaftigkeit so dreckig vor, daß ich mir nicht vorstellen konnte, daß Gott mich wirklich liebte. Gleichzeitig erfuhr ich, daß Gott mich bedingungslos liebte. In meiner Vorstellung paßte das eigentlich gar nicht zusammen, doch jetzt wußte ich, daß ich nun auf meiner langen Suche angekommen war. Ich fand Liebe, Annahme und Vergebung. Ich schloß mich einem Hauskreis und einer lebendigen Gemeinschaft an. In mir entfachte sich ein Verlangen nach mehr. Zwischendurch gab es fürchterliche Tiefs, nicht zuletzt auch, weil ich in depressive Löcher fiel, aber Jesus hielt seine Hand über mein Leben.

Das ist eine meiner wichtigsten Erfahrungen, bis heute ist er treu geblieben. Ich habe in dieser Zeit dann nach meinem Diplom noch promoviert und auch das nur mit Gottes Hilfe. Inzwischen wußte ich schon, daß mein Leben sich verändern würde. Ich wechselte 1993 meinen Beruf und war dann Mitarbeiter in der Gemeinde. Das ging nicht ohne innere Kämpfe ab, aber Jesus bestätigte diese Berufung mehrmals.
Seitdem hat sich vieles verändert und heute bin ich mit meiner Familie im Missionsdienst, aber immer noch unterwegs.

Immer wieder erfuhr ich, daß wir einen lebendigen und wahren Gott haben, der treu ist und das gute Werk des Glaubens in uns wirkt und auch vollendet, wenn wir ihm folgen. Die Geschichte mit meinem unehelichen Sohn hat mich lange verfolgt wie ein Makel.

Ich schämte mich, besonders unter Christen. Mir war klar, daß es vor Gott Sünde war. Eines Tages fragte ich mich, was eigentlich der Name Jonathan bedeutet. Ich war überwältigt von dem was ich las: von Gott gewollt.
Für mich war es eine Antwort auf meine quälenden Schuldgefühle. Mir wurde klar, daß vorehelicher Geschlechtsverkehr Sünde war, aber Gott hatte weitreichendere Gedanken, hat Jonathan gewollt und es zugelassen, daß er geboren wurde, denn durch ihn führte er mich zu sich. Jonathan, Du bist mein geliebter Sohn.
 
Reinhold Harms,
Vineyard Missionar in Bosnien-Herzegowina


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