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Sollten wir uns nicht von menschlichen Bildern über Gott befreien?
Wer solches empfiehlt, hat nicht bemerkt, daß er mit dem Versuch, sich
von den menschlichen
- oder wie er sie nennt - anthropomorphen Bildern zu befreien, nur eines erreicht, nämlich daß er die alten Bilder durch irgendwelche neuen ersetzt. 'Ich glaube nicht an einen persönlichen Gott', sagt der eine, 'aber ich glaube an eine große geistige Kraft.'
Dabei übersieht er, daß das Wort 'Kraft' alle möglichen Vorstellungen von Winden und Gezeiten, von Elektrizität und Gravitation aufkommen läßt. 'Ich glaube nicht an einen persönlichen Gott', sagt der andere,
'aber ich glaube, daß wir alle Teile eines großen Wesens sind, das durch uns wirkt und sich durch uns bewegt' - und übersieht dabei, daß er lediglich das Bild vom väterlichen und königlich aussehenden Mann durch das
Bild von einer sich weit ausdehnenden Gaswolke oder Flüssigkeit ersetzt hat.
Ein mir bekanntes Mädchen war durch ihre 'höher denkenden' Eltern dazu erzogen worden, Gott als eine vollkommene 'Substanz' zu
betrachten. In späteren Jahren wurde ihr bewußt, daß dies sie tatsächlich dazu veranlaßt hatte, sich unter Gott so eine Art riesigen Griespudding vorzustellen. (Wobei sie zu allem Überfluß Griespudding nicht
mochte.) Vielleicht meinen wir, gegen ein solches Ausmaß an Unsinnigkeit gefeit zu sein, doch da täuschen wir uns. Wer sich selbst und seine Denkprozesse beobachtet, wird - so glaube ich - entdecken, wie das, was er
für eine besonders fortschrittliche oder philosophische Gottesvorstellung hält, in seinem Denken stets von vagen Bildern begleitet wird, die bei näherer Betrachtung noch abwegiger sind als die anthropomorphen Bilder
der christlichen Theologie. Schließlich ist doch der Mensch das höchste aller Dinge, die wir mit unseren Sinnen erfahren können. Schließlich hat er doch den Erdball bezwungen, die Tugend geehrt (wenn er ihr auch
nicht gefolgt ist), Wissen erworben, Dichtung, Musik und Kunst geschaffen. Wenn es Gott überhaupt gibt, dann ist es nicht unvernünftig zu vermuten, daß wir ihm weniger unähnlich sind, als alles, was wir sonst noch
kennen. Zweifellos unterscheiden wir uns unsäglich von ihm; so gesehen sind alle menschenähnlichen Bilder in der Tat falsch. Doch die Bilder von gestaltlosen Nebeln und irrationalen Kräften, die unseren Geist
(uneingestandenermaßen) immer dann verfolgen, wenn wir uns zu der Vorstellung von einem unpersönlichen und absoluten Wesen aufschwingen, müssen das in noch viel stärkerem Maße sein.
Auftauchen werden die
Bilder immer, seien sie nun so oder so geartet; wir können nicht über unseren eigenen Schatten springen. Für den modernen, erwachsenen Christen gilt also, daß die Abwegigkeit der Bilder keineswegs die Abwegigkeit
der Lehre bedeutet; man darf sich allerdings fragen, ob der frühe Christ in derselben Lage war. Vielleicht hielt er die Bilder für richtig und glaubte tatsächlich an einen Wolkenpalast oder einen geschmückten
Sessel. Stellen wir uns einen galiläischen Bauern vor, der glaubte, Christus habe sich buchstäblich und körperlich 'zur Rechten des Vaters' niedergesetzt. Dieser Mann geht nun nach Alexandria, um sich dort
philosophisch weiterzubilden. Dabei findet er heraus, daß der Vater keine rechte Hand hat und auch nicht auf einem Thron sitzt. Ist es denkbar, daß er darin eine Erkenntnis sieht, die an der eigentlichen Absicht des
Glaubens, dem er in den Tagen seiner naiven Unwissenheit angehangen hat, und an seiner Wertschätzung diesem gegenüber etwas ändert? Physikalische Details über einen angeblichen Thronsaal würden ihn wohl kaum
interessieren, es sei denn, wir halten ihn nicht nur für einen Bauern, sondern auch für einen Narren (wobei das eine mit dem andern nichts zu tun hat). Für ihn wäre nur die Überzeugung wichtig, daß ein Mensch,
den er persönlich in Palästina gekannt hat, als Mensch den Tod überlebte und nun als höchster Bevollmächtigter jenes übernatürlichen Wesens wirkt, das den gesamten Bereich der Wirklichkeit beherrscht und erhält. Und
diese Überzeugung, dieser Glaube bliebe in seiner Substanz unverändert, auch nachdem das Falsche an den alten Vorstellungen erkannt worden ist. Selbst wenn also nachgewiesen werden könnte, daß die frühen Christen
ihre Bilder wörtlich nahmen, hieße das noch nicht, daß wir berechtigt wären, ihre gesamte Lehre zu verwerfen. Ob sie es tatsächlich getan haben, ist eine andere Sache.
Die Schwierigkeit liegt darin, daß sie
nicht als Philosophen schrieben, die ihre spekulative Neugier über das Wesen Gottes und des Universums befriedigen wollten. Sie glaubten an Gott; und sobald ein Mensch das tut, steht niemals philosophische
Genauigkeit an erster Stelle seiner Erwartungen.
(C.S.Lewis “Wunder”, S. 89-91)
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