Muß ein Christ den Sabbat halten?


Für die meisten Menschen ist es vermutlich selbstverständlich, daß der christliche “Tag des Herrn” der Sonntag ist, der jüdische Feiertag hingegen der Samstag (Sabbat). Für manche Christen ist es allerdings auch ein echtes Glaubensproblem, ob Gottes Gebote von ihnen fordern, den Sabbat am Samstag zu begehen.

Darauf möchte ich hier eingehen.

INHALT:

       1. Die Adventisten
       2. Stellenwert der Sabbatfrage
       3. Der Sabbat als Teil des Judentums
       4. Was lehrt das Neue Testament über den Sabbat?
       5. Zusammenfassung



1. Die Adventisten

Die Frage, ob ein Christ den Sabbat am Samstag halten muß, stellt sich wohl oft erst, wenn man sich mit der Lehre der  Adventisten beschäftigt.
Die
"Gemeinschaft der Siebenten-Tags-Adventisten" ist eine evangelische Freikirche mit weltweit mehr als 10 Millionen Mitgliedern, die evangelikal ausgerichtet ist, jedoch gegenüber den übrigen Christen eine auffällige Besonderheit hat: Der Gottesdienst wird in den Adventgemeinden samstags gefeiert und der Samstag ist an Stelle des Sonntags Ruhetag. Dabei wird in der Regel Sabbat mit Samstag begrifflich gleichgesetzt, weil in der jüdischen Kultur der Sabbat am Samstag gefeiert wird.

Die Adventisten berufen sich dabei auf das
vierte Gebot, vgl. 2.Mose 20,8-11:

8 Denke an den Sabbattag, um ihn heilig zu halten.
9 Sechs Tage sollst du arbeiten und all deine Arbeit tun;
10 aber der siebte Tag ist Sabbat für den HERRN, deinen Gott. Du sollst an ihm keinerlei Arbeit tun, du und dein Sohn und deine Tochter, dein Knecht und deine Magd, und dein Vieh, und der Fremde bei dir, der innerhalb deiner Tore wohnt.
11 Denn in sechs Tagen hat der HERR den Himmel und die Erde gemacht, das Meer und alles, was in ihnen ist, und er ruhte am siebten Tage; darum segnete der HERR den Sabbattag und heiligte ihn.

Ich möchte zunächst klarstellen, daß die Adventisten mir ganz liebe und geschätzte Geschwister im Herrn Jesus sind. Viele von ihnen haben ein brennendes Herz für den HERRN und in den Kernfragen des Glaubens sind wir mit ihnen völlig einig.
Keinesfalls würde ich die Adventisten als eine “Sekte” oder Sondergruppe bezeichnen wollen. Mit solchen Aussagen würden wir unsererseits wohl die Sabbatfrage überbewerten. Im Gegenteil sind Adventisten für mich ein Teil der evangelikalen Bewegung - vielleicht ein Seitenzweig, aber sicher zugehörig.

Vom “mainstream” der Evangelikalen sind die Adventisten lehrmäßig eigentlich nur durch zwei Punkte getrennt:
       a) die Sabbatlehre, um die es hier gehen soll.
       b) die nur von den Adventisten und Zeugen Jehovas vertretene Lehre, daß es keine Hölle gäbe,
           sondern die Ungläubigen “vernichtet” werden.

Beide Sonderlehren sind jedoch in gewisser Weise harmlos, da die Errettung nicht an ihnen hängt. Soweit und solange Menschen den Kern des Evangeliums kennen und verstehen, kann ich mit beidem leben.



2. Stellenwert der Sabbatfrage

Bei der Sabbatlehre handelt es sich grundsätzlich um eine eher zweitrangige Sache. Der Mensch hält sich gern an solchen Äußerlichkeiten auf, weil sie greifbar sind und man sich durch äußeres Tun das Gefühl verschaffen kann, Gott vermeintlich näher zu kommen. Anstatt über die Dinge nachzudenken, die Gott wirklich wichtig sind - denn Gott sieht zuallererst das Herz an - wird viel Überlegung und Gewicht in solche Äußerlichkeiten wie den Sabbat hineingesteckt, weil das für uns Menschen beherrschbar ist.
Man kann hier religiöse Leistung zeigen ! Darum ist dies für unser stolzes Herz so faszinierend.

Den christlichen Glauben machen aber andere Dinge aus und im Mittelpunkt steht
Jesus allein. Daher stört es mich auch nicht, wenn Adventisten meinen, den Sabbat unbedingt am Samstag halten zu müssen.
Argwöhnisch werde ich erst dann, wenn jemand derartige Dinge in den Vordergrund stellt: Gerade so, als würde ein äußeres Tun darüber entscheiden, ob wir errettet werden oder nicht.

Den Sabbat in den Vordergrund zu stellen, ginge in meinen Augen in Richtung Werksgerechtigkeit.

Die Adventisten selbst leiten zwar ihre “Daseinsberechtigung” als Denomination in gewisser Weise von ihrer Sabbatlehre ab, so daß der Sabbat für sie nie unwichtig sein kann. Allerdings schätzen zumindest die meisten meiner adventistischen Bekannten die Bedeutung nicht allzu hoch ein. Dies ist auch die offizielle Linie, die sich seit Jahrzehnten um Annäherung an andere protestantische Gruppen bemüht.
In der Zeit ihrer Entstehung (Ende des 19. Jahrhunderts) haben die Adventisten allerdings angenommen, nur derjenige sei errettet, der den Sabbat am Samstag hält. Das ist natürlich tatsächlich sektiererisch und würde mich höchst bedenklich stimmen, ob da wirklich der Kern des Evangeliums verstanden wurde: Errettung aus Gnade durch Glauben an Jesus.

Ich freue mich sehr, daß die Adventisten heute in ihrer großen Mehrzahl von diesem Zug herunter sind.



3. Der Sabbat als Teil des Judentums

Die Adventisten entstanden zwar erst im 19. Jahrhundert, der Streit um die Bedeutung der jüdischen Vorschriften für den christlichen Glauben ist jedoch viel älter und wurde eigentlich bereits durch die Apostel entschieden. Schon in der Urgemeinde bestand nämlich ein vergleichbarer Konflikt zwischen den Christen mit jüdischem Hintergrund und denen, die zuvor Heiden waren. Es ging dabei um die Frage, ob die Heidenchristen zunächst beschnitten werden müßten. Anders gefragt: Muß jemand erst Jude werden, um Christ werden zu können ?
Es gab damals Geschwister vom jüdischen Hintergrund, die meinten, man müsse beschnitten sein, um errettet werden zu können, vgl.
Apg 15,1. Kein Wunder, daß dies unter den Gemeinden für Unruhe sorgte. Zum Überblick über die damaligen Vorgänge empfehle ich, das Kapitel Apostelgeschichte 15 einmal im Zusammenhang zu lesen.

Petrus sagt im Rahmen dieser Auseinandersetzung einige sehr entscheidende Worte, die meiner Ansicht nach auch für die adventistische Sabbatlehre gelten sollten vgl.
Apg 15,8-11:

8 “Und Gott, der Herzenskenner gab ihnen Zeugnis, indem Er ihnen den Heiligen Geist gab wie auch uns;
9 und Er machte keinen Unterschied zwischen uns (den Juden) und ihnen (den Nationen), da er durch den Glauben ihre Herzen reinigte.
10 Nun denn, was versucht ihr Gott, ein Joch auf den Hals der Jünger zu legen, das weder unsere Väter noch wir zu tragen vermochten ?
11 Vielmehr glauben wir, durch die Gnade des Herrn Jesus in derselben Weise errettet zu werden, wie auch jene.
"

Petrus macht deutlich, daß das Halten des jüdischen Gesetzes - zu dem der Sabbat genauso wie die Beschneidung gehört - für unsere Errettung keine Rolle spielt, weil wir sowieso aus Gnade gerettet werden - und gerettet werden müssen. Wem aus den Nationen hilft es also, das jüdische Joch zu tragen ? Kommen wir dadurch der Errettung näher ?
Nein, sondern durch den Glauben muß Gott unser Herz so oder so reinigen.

Daher hat die Urgemeinde darauf verzichtet, den Christen aus den Nationen das jüdische Gesetz aufzuerlegen.

Gern wird dagegen eingewandt, daß der Sabbat ja nicht zum jüdischen Gesetz zählen würde, sondern zu den
Zehn Geboten.
Dies ist zwar grundsätzlich richtig, doch spricht das vierte Gebot nicht vom Samstag, sondern vom “siebten Tag”. Die meisten Menschen - insbesondere meine adventistischen Geschwister - setzen beides ohne weiteres gleich, ohne dabei zu bedenken, daß es allein von der Zählweise abhängt, welcher Wochentag der “siebte” ist: Wenn man mit dem Montag zu zählen beginnt, ist nämlich der Sonntag der “siebte Tag”.

Tatsache ist natürlich, daß die Juden so zählen, daß jeweils der Samstag der “siebte Tag” ist. Doch ist diese Zählweise ein Teil der jüdischen Kultur und nicht der Bibel. Die Bibel sagt nämlich nicht, daß ausschließlich der Samstag der “siebte Tag” sein könne.

Bei dem Gebot, am “siebten Tag” Sabbat zu halten, geht es ersichtlich nicht um einen bestimmten Wochentag, sondern um einen Zeitabstand: Jeder siebte Tag soll Sabbat sein.

Darüber hinausgehende Festlegungen entstammen nicht der Bibel, sondern der jüdischen Kultur.


Daß der Sabbat am Samstag ein Teil des jüdischen Gesetzes ist, sieht man auch daran daß der Sabbat in
Kolosser 2,16 in einem Atemzug mit den Speisevorschriften erwähnt wird.

Anders als die übrigen Gebote, die das Herz betreffen (Nächstenliebe, Gottesliebe, Wahrhaftigkeit, Barmherzigkeit, Verbot von Lüge, Verbot von Neid etc.), die uns zwar auch nicht retten können, aber ein untrügliches Zeichen für die durch Glauben geprägte Herzenseinstellung sind, sagt das Halten des Sabbats wie jede äußere religiöse Übung über die Herzenseinstellung nicht viel aus. Man kann so etwas gewiß auch aus Gottesfurcht tun - aber häufig ist es wohl nur Tradition oder Gewohnheit, weil es nur ein äußerliches Tun ist.
Den Sabbat kann man sogar in Gottesferne und mit Haß im Herzen halten: Wie wenig jedoch das Halten des Sabbats über die Herzenseinstellung und das Verhältnis zu Gott aussagt, wird z.B. überdeutlich in dem Bericht
Markus 2,23 - 3,6. Die Pharisäer werden sicher die letzten gewesen sein, die das Sabbatgebot verletzten - und doch waren ihre Herzen fern von Gott.

Dagegen kann jedoch niemand seinen Nächsten aus Tradition oder Gewohnheit lieben, sondern immer nur aus dem Herzen heraus. Deshalb ist Liebe ein Zeichen des Glaubens, der rettet - der Sabbat jedoch nicht.
Wer durch Gnade gerettet ist,  der kommt durch äußerliche Übungen Gott nicht näher - wer hingegen nicht durch Gnade gerettet ist, dem helfen äußere religiöse Übungen auch nicht.



4. Was lehrt das Neue Testament über den Sabbat?

Gern wird gesagt: "Jesus selbst hat den Sabbat gehalten." Das ist natürlich richtig. Aber Jesus war als Jude auch beschnitten und hat sich an die jüdischen Speisevorschriften gehalten - und auch diese hat Er nie ausdrücklich aufgehoben. Wo liegt also der Unterschied zum jüdischen Brauch, den Sabbat am Samstag zu halten?

Im Gegenteil: Gegen Beschneidung und Speisevorschriften hat Jesus kein einziges Wort gesagt - den Sabbat hat er jedoch ganz deutlich relativiert (
Markus 2,27). Wenn wir den Sabbat am Samstag begehen müßten, weil Jesus es als Jude getan hat - um wieviel mehr müßten wir dann unsere Kinder beschneiden und Schlachttiere schächten ?

Das kann also kein stichhaltiges Argument sein.

Jesus hat durch sein Verhalten an vielen Stellen deutlich gemacht, daß der Mensch immer zuerst kommt, dann erst der Sabbat, vgl.
Matthäus 12,8; Markus 2,27; Lukas 6,5; Lukas 13,15; Lukas 14,5.

Insoweit ist den Adventisten allerdings zuzugestehen, daß Jesus damit das Sabbatgebot natürlich als solches nicht aufgehoben, sondern nur relativiert hat. Auch Jesus hat den jüdischen Sabbat am Samstag gehalten; das ist unbestritten.
Man sollte aber die Art und Weise beachten, in der Jesus den Sabbat relativiert hat: Wenn der Sabbat dem Menschen dient und nicht der Mensch dem Sabbat (
Markus 2,27) - was macht es dann für einen Unterschied, wenn zur Ehre Jesu statt dem Samstag der Sonntag als Ruhetag eingeführt wird ?

Wenn der Sabbat dem Menschen dient, dann dient auch der Sonntag als Sabbat, weil er denselben Dienst am Menschen erfüllt.

Das Gebot Gottes, den Sabbat zu halten, kann also nicht sklavisches Festhalten an einem speziellen Wochentag bedeuten - denn wem in aller Welt würde speziell der Samstag dienen, jedoch der Sonntag nicht ?

Vielmehr ist es generell das Gebot, daß dem Menschen jeden siebten Tag durch einen Ruhetag zur Ehre Gottes gedient werden soll. Und der Sonntag dient auch der Ehre Gottes, indem er Jesu Auferstehung an diesem Tage betont. Bei der Frage, ob wir den Sabbat halten, kann es daher nicht darauf ankommen, an welchem Wochentag wir Sabbat halten. Ob man den Sabbat am Sonntag oder am Samstag hält - beides erfüllt gleichermaßen das vierte Gebot.

In einer Bibelstelle wird sogar ausdrücklich davor gewarnt, den Sabbat zu einem Gesetz zu machen. Ich zitiere
Kolosser 2,16:

"
So richte euch nun niemand wegen Speise oder Trank oder betreffs eines Festes oder Neumondes oder Sabbats , die ein Schatten der künftigen Dinge sind, der Körper selbst aber ist des Christus."

Entsprechend ist auch die Urgemeinde ganz pragmatisch mit dem Sabbat umgegangen:
Während Judenchristen offenbar - genau wie die heutigen messianischen Juden - den Sabbat am Samstag hielten, haben es die Heidenchristen nicht getan, sondern ihren Ruhetag wegen der Auferstehung Jesu - als Zeichen der "neuen Schöpfung" - auf den Sonntag, den "ersten Tag der (jüdischen) Woche" gelegt. Die Christen in den wohl überwiegend heidenchristlichen Gemeinden in Griechenland feierten von Anfang an ihren Gottesdienst am "ersten Tag der Woche" - also dem Sonntag. Der Schluß, daß dieser Tag dann auch der Ruhetag war, liegt nahe. Dies steht ausdrücklich in
1.Korinther 16,2 oder Apostelgeschichte 20,7: "Am ersten Tag der Woche aber, als wir versammelt waren, um Brot zu brechen....."
Gerade der Sonntag hat über den Zeitabstand hinaus eine tiefe Bedeutung, denn als Tag der Auferstehung Jesu ist er Symbol für die neue Schöpfung, die wir in Jesus sind. Die Beobachtung des ersten Tages der Woche wird durch die frühen Kirchenväter bestätigt: so z.B. in den Schriften des Barnabas (ca.100 n. Chr.), Ignatius (107 n. Chr.), bei Justin dem Märtyrer (145-150 n. Chr.) und Irenäus (155-202 n. Chr.). Das Edikt von Laodizea (4. Jahrhundert n. Chr.) änderte nicht etwa den Tag der Anbetung von dem siebten auf den ersten Tag der Woche, wie manchmal behauptet wird, sondern setzte vielmehr den Stempel der offiziellen Anerkennung auf eine Einrichtung, die schon lange in den ersten Gemeinden bestand.



5. Zusammenfassung

Daher: Auch für uns Christen gilt das vierte Gebot. Aber dieses Gebot sagt nicht, daß der Sabbat nur am Samstag gehalten werden dürfe. Wegen derartiger (zusätzlicher) Sabbatvorschriften soll niemand gerichtet werden (Kolosser 2,16). Es geht nicht um bestimmte Wochentage, sondern es geht um einen Zeitabstand (...”der siebte Tag”).

Wir sind aus Gnade gerettet sind, nicht aus religiösen Übungen. Wer trotzdem meint, den Sabbat am Samstag halten zu müssen, dem wünsche ich dabei den Segen Gottes.

Soll er es in Gottesfurcht tun !


Jesus ist unser aller Herr !
Ingmar



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